

Wer heute in Sekunden über diese Brücke fährt, liest vielleicht ihren Namen, weiß aber nichts von der Entstehung und ihrer Erweiterung. Die Gestaltung der Stahlbrücke und die Einpassung in die Landschaft sind von den Baumeistern der 1930er Jahre mit einer so hohen Qualität erfolgt, daß bei den mit der Planung betrauten Ingenieuren und Architekten die Idee entstand, dieses historische Bauwerk in den sechsstreifigen Neubaus einzubeziehen.
Der Streckenabschnitt Hermsdorfer Kreuz – Landesgrenze Thüringen/Bayern ist im Zuge der Bundesautobahn A 9 ein wichtiger Abschnitt der Nord-Süd-Verbindung von Berlin nach Nürnberg und München. Das Verkehrsprojekt Deutsche Einheit Nr. 12 sah den sechsstreifigen Ausbau der A 9 zwischen Berlin und Nürnberg vor. Die Projektleitung lag bei der Deutsche Einheit Fernstraßenplanungs- und -bau GmbH (DEGES).
Hierbei war eines der bedeutendsten Brückenbauvorhaben die Erneuerung der Talbrücke Tautendorf, welche etwa sieben Kilometer südlich des Hermsdorfer Kreuzes liegt.


Mit dem Neubau und der Rekonstruktion der vorhandenen stählernen Deckbrücke in genieteter Bauweise wurde ein weiterer Staupunkt im Zuge der Bundesautobahn A 9 beseitigt, die Verkehrssicherheit deutlich erhöht und das weitere Straßennetz entlastet. Die Baumaßnahmen an der Talbrücke Tautendorf waren eine Grundvoraussetzung, um den zukünftigen infrastrukturellen Anforderungen des ostthüringischen Raumes nachhaltig gerecht zu werden.


Die meisten anderen historischen Autobahnbrücken wurden durch Neubauten ersetzt. Die vielen technischen, architektonischen und gestalterischen Besonderheiten führten zu Bereitschaft dieses Bauwerk zu erhalten und den gesteigerten Anforderungen anzupassen. Diese Entscheidung wurde durch den nach knapp 60 Jahren erstaunlich guten Erhaltungszustand sehr erleichtert. Die Sanierung und Erweiterung war damit auch wirtschaftlich darstellbar. Während der Arbeiten wurden später weder lose sitzende Nieten noch Anrisse an den Nieten festgestellt.
Auf Grund seiner in Deutschland einmaligen Konstruktionsweise mit genieteten Pendelrahmenstützen gilt das Bauwerk aus den 1930er Jahren als ein bedeutendes Industriedenkmal auch hinsichtlich Gestaltung, Proportion und Detaillierung. Eine derartige historische Brückenkonstruktion ist an den Autobahntrassen Deutschlands nur noch selten anzutreffen


Errichtet wurde die Brücke ab 1935 und am 19. Dezember 1936 folgte die Einweihung des ersten Brückenteilbauwerkes mit der Verkehrsfreigabe von 38 Kilometern Reichsautobahn zwischen den Anschlußstellen Eisenberg und Schleizer Seenplatte (heute AS Dittersdorf). Im Herbst 1937 erfolgte die die Freigabe des zweiten Teilbauwerks.
Das bestehende Bauwerk (BW 128) wurde als Durchlaufträger mit getrennten Überbauten aus Stahl über fünf Felder mit Stützweiten von 46,56 – 50,80 – 55,07 – 50,82 – 46,57 Metern für beide Richtungsfahrbahnen errichtet. Charakteristisch ist dabei die stählerne Trägerkonstruktion der zweistegigen Vollwandhauptträgern in Längsrichtung (Abstand 8,3 Meter je Überbau und rahmenartig aufgeständerten Querträgerregeln im Abstand von 4,23 Metern In Verlängerung der Querriegel befinden sich an den Außenbereichen der Überbauten 1,4 Meter lange Kragarme. Zwischen den Querriegeln verlaufen parallel zu den Hauptträgern Sekundärlängsträger, auf denen die Stahlbetonplatte aufgelagert ist. Die Abstützung des Überbaus erfolgt durch feingliedrige schlanke Stahlportalstützen (Pendelstützen), die sich nach unten verjüngend, die Lasten in deutlich sichtbare Fundamente abtragen und im Taleinschnitt leicht und transparent wirken.


Gründung:
Tiefgehende massive Stahlbetonflachgründungen, Stützen binden über Einzelfundamente zwischen vier und sieben Meter tief in den Untergrund bis auf die tragfähigen Horizonte ein. Die Widerlager sind auf scheibenartigen Einzelfundamenten auf dem anstehenden Buntsandsteinhorizont abgesetzt.
Unterbauten:
Die Widerlager sind als massive, kastenförmige Stahlbetonkonstruktionen mit oben- und unterliegenden Kammern und mit Parallelflügeln ausgebildet. Die Sichtflächen sind mit Natursteinmauerwerk verblendet.
Abmessungen:
Länge: 249,82 m, Gesamtbreite rund 24,64 Meter, Fahrbahnbreite 14,50 Meter — Höhe über Tal, maximal 25,5 Meter.
Die Bauwerke überführen die Bundesautobahn A 9 über den Taleinschnitt im Bereich der Gemarkung Tautendorf und über die Kreisstraße K 124.


Mit dem Bau des neuen Teilbauwerkes (Richtungsfahrbahn Nürnberg) wurde im Dezember 1999 begonnen. Auf den Betonpfeilern mit den zur optischen Gestaltung versehenen horizontalen Nuten wurde ein Spannbeton Hohlkasten mit Vorspannung gebaut. Diese Arbeiten waren im Mai 2001 abgeschlossen. Nach Fertigstellung des neuen, dritten Teilbauwerks wurde der gesamte Verkehr im August 2001 auf die neue Brücke verlegt.
Bei der Rekonstruktion des Bestandsbauwerkes ab August 2001 erwiesen sich die nur unvollständig erhalten Planungs- und Bauunterlagen als zusätzliche Herausforderung bei der Bestandsaufnahme.
Zuerst wurde das neue Bauwerk für die Richtungsfahrbahn Nürnberg errichtet. Eine besondere Aufgabe war die exakte Anpassung der beiden sich überlappenden Überbauten mit der Fahrbahnplatte, welche im Pilgerschrittverfahren aufgelegt wurde. Die Gesamtfertigstellung war im Oktober 2002 abgeschlossen.


Münchenbernsdorfer Allgemeine Zeitung
Der Autobahnbau in den 1930er Jahren, das war mit einfacher Technik und mit viel körperlicher Arbeit verbunden. Für die Transporte hatte die damalige Deutsche Reichsbahn große Aufgaben zu bewältigen.
In der Münchenbernsdorfer Allgemeinen Zeitung war seinerzeit zu lesen: „Einen Schub bewirkte der Bau der Reichsautobahn Berlin – Nürnberg. Bereits im Sommer 1935 wurden Bagger, Kipploren und Feldbahngleise im Bahnhof Lederhose entladen. (Anmerkung: Dieser Bahnhof liegt an der Stichbahn Niederpöllnitz – Münchenbernsdorf, welche von der Hauptstrecke Leipzig – Saalfeld abzweigt.) Den Weitertransport von schweren Maschinen zu den Baustellen übernahm die Geraer Firma Franz Rothe & Söhne mit Schwerlastfahrzeugen. Reges Interesse erregte in den ersten Septembertagen eine ähnlich spektakuläre Aktion: Auf Güterwagen kamen zwei in ihre Hauptbestandteile zerlegte große Bagger mit einem Gewicht von 90 bzw. 60 Tonnen an. Die Riesen wurden sogleich vor Ort montiert, um dann das letzte Stück zu ihrer Einsatzstelle bei Neuensorga an der Autobahn aus eigener Kraft zurückzulegen. Da die Bahnunterführende Brücke der Straße nach Neuensorga solche Last nicht tragen konnte, mußten sich die Geräte ihren Weg durch den Wald bahnen. Auch der Personenverkehr nahm zu, fuhren doch nun viele Bauarbeiter täglich im Zug bis Lederhose. für den Umschlag von Baustoffen sollte das Ladegleis auf der Nordwestseite des Bahnhofs Lederhose verlängert werden, doch baute man dafür – angeblich wegen Geländeschwierigkeiten – einen Gleisanschluß auf freier Strecke zwischen Lederhose und Münchenbernsdorf (im Schwarzen Holz auf der früheren Reitwiese ). Hier wurde im April 1936 das Planum für zwei Gleise von 300 – 400 Meter Länge hergestellt. Per Feldbahn sollten die Baustoffe (Sand, Zement) durch das Kirchtal und an Neuensorga vorbei zu den Baustellen zwischen Wittichenstein und Eineborn gebracht werden.“
Beeindruckend war im Juni 1936 das mehrfache Entladen schwerer Bauteile für die 300 Meter lange und 30 Meter hohe Autobahnbrücke bei Tautendorf. Hierzu bestanden am Bahnhof Lederhose und an der Straßenabbiegung nach Eineborn Hebevorrichtungen. Von dort aus beförderten Tieflader die bis zu 25 Tonnen schweren Teile auf der Straße Mittelpöllnitz – Hermsdorf weiter. Für den letzten Weg zur Baustelle hatte man ein 1,2 Kilometer langes Normalspurgleis, das direkt an das Bauwerk heranführte, vorgestreckt.

22. Treffen in Hermsdorf und Bad Klosterlausnitz
Fahrt auf der Bundesautobahn A 9 auf der Richtungsfahrbahn Berlin von der Anschlußstelle Lederhose über die Tautendorfer Brücke bis zum Hermsdorfer Kreuz